DER ISLAM

Wahrlich, die Religion vor Allah ist Islam. Und die, denen das Buch gegeben ward, wurden uneins, erst nachdem das Wissen zu ihnen gekommen war, aus gegenseitigem Neid. Und wer die Zeichen Allahs leugnet - dann, wahrlich, ist Allah schnell im Abrechnen.

Islam Der wahre Weg zu Allah

بِسْمِ اللّٰهِ الرَّحْمٰنِ الرَّح۪يمِ

Die Eigenschaften Allahs

Schon vor vielen Jahrhunderten haben islamische Gelehrte die Wesenseigenschaften Allahs aus dem heiligen Koran genauestens analysiert und klassifiziert.

 

ExistenzAnfangslosigkeitUnvergänglichkeitEinzigkeitUnvergleichbarkeitUnabhängigkeit<>

Die Eigenschaften Allahs

 

Schon vor vielen Jahrhunderten haben islamische Gelehrte die Wesenseigenschaften Allahs aus dem heiligen Koran genauestens analysiert und klassifiziert.

Diese können in 2 Gruppen unterteilt werden. Einmal in solche, die nur IHM vorbehalten sind (1), und einmal in solche, die Er auch seinen Geschöpfen gegeben hat (2).

 

(1) Wesenseigenschaften, die nur IHM vorbehaltenen sind:

 

 (SIFAT-I ZATiYE):

 

– Anfangslosigkeit (KIDEM): Die Existenz von Allah hat keinen Anfang. Allah existierte bevor er die Geschöpfe erschaffen hat.

 

– Unvergänglichkeit (BEKA): Die Existenz von Allah hat kein Ende. Er stirbt nicht, vergeht nicht, verändert sich nicht.

 

– Unabhängigkeit (KIYAM BI NEFSIHI): Allah braucht nichts und niemanden, aber alle Geschöpfe brauchen Allah

 

– Unvergleichbarkeit (MUHALEFETUN LIL HAVADIS): Allah ähnelt nichts und niemandem auch nicht im entferntesten.

 

– Einzigkeit (VAHDANIYYA): Allah ist einzig. Er hat keinen Teilhaber.

 

– Existenz (VUCUD): An seiner Existenz besteht kein Zweifel. Allah existiert ohne Ort und ohne Zeit.

 

(2) Wesenseigenschaften, die auch seine Geschöpfe z.T. haben können:

 

 (SIFAT-I SUBUTIYE)

 

(seine Geschöpfe sind in diesen Eigenschaften begrenzt und bedürfen eines (Hilfs-)Mittels. ER aber ist in diesen Eigenschaften grenzenlos und ER bedarf keines Hilfsmittels)

 

– Lebendig (HAYAT): Allah ist lebendig und lebt. Sein Leben ist nicht an Seele, Fleisch oder Herz usw. gebunden. Sein Leben ähnelt nicht unserem Leben.

 

– Wissen (ILM): Allah weiss alles absolut genau. Er weiss, was geschah, was geschieht und was geschehen wird.

 

– Hören (SEMI): Allah hört alles ganz genau. Er hört ohne Ohren und ohne andere Hilfsmittel.

 

– Sehen (BASAR): Allah sieht alles ganz genau. Er sieht ohne Augen und ohne andere Hilfsmittel.

 

– Sprechen (KELAM): Allah spricht. Ohne Zunge und ohne Lippen. Sein Sprechen ähnelt nicht unserem Sprechen.

 

– Wille (IRADE): Alles, was Allah will, geschieht und was er nicht will, geschieht nicht.

 

– Allmacht (KUDRET): Allah ist Allmächtig. Er kann alles tun, was er will, und niemand kann ihn daran hindern.

 

– Erschaffen (TEKVIN): Allah ist der Erschaffer. Wenn Er etwas erschaffen möchte, dann spricht Er nur: “werde” und es wird.

 

 

Absolute Eigenschaften Gottes

 

Die Sifâtu Thubûtiyya, die ‚feststehenden’ oder ‚absoluten’ Eigenschaften Allahs sind folgende:

 

1. Hayât – Leben

 

Allah lebt, besitzt Leben, ist lebendig und dieses Lebendig-Sein ist eine Seiner untrennbar mit Seiner Existenz verbundenen Eigenschaften. Er ist der Ewig-Lebendige, wie es Sein berühmter Name al-Hayy ausdrückt. Er ist lebendig, immerwährend und Er besitzt absolutes Leben.

 

Alles andere Leben tritt als Widerspiegelung dieser göttlichen Eigenschaft Allahs in Erscheinung und ist daher relativ. Das Leben eines Geschöpfes ist zeitlich begrenzt und durch eine materielle Form beschränkt. Es ist das Ergebnis einer Vereinigung von Körper und Seele, die einem jeden Erdenwesen, wenn die Zeit gekommen ist, wieder genommen wird. Die Eigenschaft des ewig Lebendigen gebührt allein Allah, denn ein Teil Seiner vorzüglichen Erhabenheit besteht darin, dass Er ununterbrochen ewig lebendig und alleiniger Besitzer absoluten Lebens ist. So ist das Leben oder Lebendig-Sein Allahs nicht nur Abwesenheit des Todes, sondern eine Ihm ganz alleine vorbehaltene Art von Leben. Diese Besonderheit wird im Qur’ân mit folgenden Worten beschrieben:

 

„Und vertraue auf den ewig Lebendigen, der nicht stirbt ...!“ (25:58)

 

Und Abû Mûsâ – möge Allah mit ihm zufrieden sein – berichtete:

 

„Der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – erhob sich und sprach diese fünf Sätze:

 

‚Allah der Erhabene ist ewig lebendig, Er schläft niemals und wird niemals müde. Er verringert oder vermehrt die Versorgung, die Er gewährt. Die in der Nacht verrichteten Taten werden Ihm vor den am Tage verrichteten und die am Tage verrichteten vor den in der Nacht verrichteten emporgebracht. Sein Schleier besteht aus Licht. Wenn dieser Schleier weggenommen würde, müsste die gesamte Schöpfung vom Anblick seines Antlitzes verbrennen.’“[1]

 

Und in einer anderen Überlieferung heißt es:

 

„Wer, bevor er schlafen geht, dreimal um die Vergebung Allahs, neben dem es keine Gottheit gibt, des ewig Lebendigen, ewig aus sich selbst Bestehenden, bittet, dem wird Allahs Vergebung zuteil!“[2]

 

Allah der Erhabene sagt:

 

„Er ist der ewig Lebendige. Es gibt keine Gottheit außer Ihm. So ruft Ihn an, in aufrichtiger Hingabe. Aller Lobpreis gebührt Allah, dem Herrn der Welten!“ (40:65)

 

Wenn er besorgt um etwas war, pflegte der Prophet – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – folgendes Bittgebet zu sprechen:

 

„O ewig Lebendiger, o ewig aus sich selbst Bestehender, ich erflehe Beistand durch Deine Barmherzigkeit!“[3]

 

´Alî ibn Abî Tâlib – möge Allah mit ihm zufrieden sein – berichtete folgendes:

 

„Zu Beginn der Schlacht von Badr kämpfte ich zuerst eine Weile und begab mich dann an die Seite des Gesandten Allahs – Segen und Friede Allahs seien auf ihm – um zu sehen, was er tat. Ich fand ihn in der Position der Sajda (Niederwerfung), in der er folgende Worte sprach:

 

‚O Allah, o ewig Lebendiger, o ewig aus sich selbst Bestehender, ich erflehe Beistand indem ich zu Deiner Barmherzigkeit Zuflucht nehme!’

 

Ich ließ ihn zurück und kämpfte weiter und als ich nach einiger Zeit wieder zurückkam, fand ich ihn immer noch in der gleichen Haltung vor, während er sagte:

 

‚O Allah, o ewig Lebendiger, o ewig aus sich selbst Bestehender, ich erflehe Beistand indem ich zu Deiner Barmherzigkeit Zuflucht nehme!’

 

Ich kehrte zum Kampf zurück und als ich dann wieder zu ihm zurückkam, war er immer noch in der gleichen Haltung und er blieb darin, bis Allah uns den Sieg gewährte.“

 

Und ´Abdullah ibn ´Abbâs – möge Allah mit ihm zufrieden sein – sagte bezüglich des Qur’ânverses:

 

„Wisset, dass Allah der Erde Leben gibt nach ihrem Tode. Wahrlich, Wir haben euch die Zeichen klar gemacht, auf dass ihr begreifen möget.“ (57:17)

 

Das Lebendigmachen der Erde nach ihrem Tode ist eine offenkundige Lehre, die wir selbst beobachten können. Darüber hinaus deutet der Vers jedoch noch darauf hin, dass Allah die von der Dunkelheit des Unglaubens erfüllten, verhärteten Herzen erweicht und sie dazu bringt, sich wieder ihrem Schöpfer zuzuwenden. So erweckt Er die toten Herzen durch Wissen und Weisheit.“

 

2. ´Ilm – Wissen

 

Allah besitzt Wissen und Sein Wissen umfasst alle Dinge. Es gibt nichts, von dem Er nicht Wissen besäße. Er ist derjenige, der die Vergangenheit und die Zukunft kennt und Seinem Wissen bleibt nichts verborgen. Alles ist Ihm bekannt und jederzeit für Ihn erkennbar. Alles Wissen, das Menschen je erworben haben, entspricht nur ein paar winzigen Bruchteilen Seiner göttlichen Eigenschaft des Wissens. Im heiligen Qur’ân heißt es dazu:

 

„Wahrlich, vor Allah bleibt nichts verborgen, nicht auf der Erde und nicht im Himmel.“ (3:5)

 

„Sprich: ‚Ob ihr verbergt, was in eurer Brust ist, oder ob ihr es kundtut, Allah weiß es. Er weiß, was in den Himmeln und was auf der Erde ist und Allah hat Macht über alle Dinge.’” (3:29)

 

„Und Er ist Allah, in den Himmeln wie auf der Erde. Er kennt euer Verborgenes und euer Offenkundiges, und Er weiß, was ihr (mit euren Taten) erwerbt.“ (6:3)

 

„Er weiß, was vor ihnen ist und was hinter ihnen ist und sie erfassen nichts von Seinem Wissen, außer dem was Er will ...“ (2:255)

 

Aus diesem Grunde sagen wir immer: „wa Allahu a´lam!“ das heißt: „und Allah weiß es am besten!“, denn verglichen mit dem Ozean göttlichen Wissens, das das ganze gewaltige Universum umfasst, entspricht das menschliche Wissen nicht einmal der Größe eines Stecknadelkopfes. Oder, um es mit den Worten des heiligen Qur’ân zu sagen:

 

„... und euch ist vom Wissen nur wenig gegeben.” (17:85)

 

Der Menschheit stehen viele Türen offen, um nach Wissen zu suchen, doch es gibt auch undurchdringliche Wände von Geheimnissen und Wissen, das verborgen ist, bis Allah es enthüllt. Dadurch wird dem Diener seine Schwäche und Machtlosigkeit bewusst, so dass er seine Abhängigkeit von Allah begreift und anfängt, auf Seine Weisheit zu vertrauen. Darum heißt es im Qur’ân:

 

„Doch es mag sein, dass euch etwas unliebsam ist, das gut für euch ist, und es mag sein, dass euch etwas lieb ist, das schlecht für euch ist.“ (2:216)

 

Tatsächlich leiden Menschen oft unter dem, was ihnen auf den ersten Blick als schlecht erscheint, weil sie die dahinter verborgene Barmherzigkeit nicht erkennen können. Und häufig sind wir von Dingen eingenommen, die uns gut erscheinen und dadurch unfähig, das Übel zu erkennen, das sich dahinter verbirgt.

 

Es gibt eine Geschichte von einem rechtschaffenen Mann unter einem der Araberstämme. Sein Stamm pflegte ihn um Rat zu fragen und sich daran zu halten. Eines Morgens erwachten sie und fanden all ihre Hunde tot vor. Sie liefen direkt zu diesem rechtschaffenen Mann und berichteten ihm, was geschehen war. Nach kurzem, tiefem Nachdenken sagte er zu ihnen:

 

„Ihr Tod wird, wie ich hoffe, eure Rettung sein!“

 

In der folgenden Nacht starben all ihre Hähne und als sie am Morgen zu ihm kamen und ihm dies erzählten, sagte er wieder:

 

„Ihr Tod wird, so hoffe ich, eure Rettung sein!“

 

Als sie das hörten, sagte einer von ihnen:

 

„O Meister, die Hunde sind unsere Wächter und die Hähne unsere Gebetsrufer, wie soll ihr Tod unsere Rettung bedeuten?“

 

Der Weise antwortete ihm:

 

„Allah ist es, der alle Geheimnisse kennt. Und wahrlich muss Er eine große Weisheit in diesen Geschehnissen verborgen haben, die wir noch nicht begreifen.“

 

In der darauf folgenden Nacht gelang es keinem Einzigen von dem gesamten Stamm, sein Feuer anzuzünden. Alle fragten sich, welcher Art von Unannehmlichkeiten sie sich am Morgen nun wieder gegenübersehen würden. Als sie jedoch in der Früh aufwachten, entdeckten sie den Sinn all dieser geheimnisvollen Dinge, die ihnen geschehen waren. In der Nacht hatten Feinde die gesamte Gegend überfallen und geplündert. Die Angreifer waren auch in die Nähe ihres Stammeslagers gekommen. Da aber kein Hund gebellt, kein Hahn gekräht hatte und auch kein Licht zu sehen gewesen war, waren die Feinde vorbeigezogen, ohne sie zu bemerken. So war der Stamm dem Blutvergießen und der Plünderung entgangen.[4]

 

Dies ist nur ein Beispiel für Ereignisse, die zuerst als Unheil erscheinen, um sich dann später als segensreich zu erweisen. Scheikh Ibrahim Haqqi Erzurumî fasst dies in schöne Worte, wenn er sagt:

 

„Frag’ nicht, warum dies so ist,

 

es passt dort, wo es ist!

 

Schau lieber darauf, was zum Schluss geschieht,

 

Lass’ uns betrachten, was der Herr am Ende tut,

 

Er ist es, der das Beste stets vollbringt.“

 

Und der Gesandte Allahs – Segen und Friede seien auf ihm – sagte:

 

„Wenn ein Diener krank wird, schickt Allah zwei Engel und befiehlt diesen:

 

‚Geht und findet heraus, wie dieser Diener mit der Krankheit umgeht, die ihn befällt!’

 

Wenn sie finden, dass der Diener Allah dankt und Ihn lobpreist, so bringen sie die Kunde davon Allah, der es am besten weiß. Und Allah der Erhabene, der die Engel geschickt hat, damit sie die Taten dieses Dieners bezeugen, sagt:

 

‚Wenn ich das Leben dieses dankbaren Dieners nehme, so gebührt ihm ein Platz im Paradies. Wenn ich ihn jedoch gesund mache, so verdient er besseres Fleisch und Blut und ich vergebe ihm seine Sünden!’“[5]

 

Dieser Ausspruch des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – belegt, dass Ereignisse, die rein äußerlich betrachtet, für uns keinen Nutzen haben, göttliche Prüfungen sind und großen Gotteslohn mit sich bringen.

 

Es hat viele Geschehnisse in der menschlichen Geschichte gegeben, die auf den ersten Blick wie ein Fluch erschienen, sich im Nachhinein jedoch als Gnade erwiesen haben. Aber auch das Gegenteil ist vielfach geschehen. So dachte das Volk von Hud fälschlicherweise, dass es sich bei den Wolken göttlichen Zorns, die über ihnen aufzogen, um Regenwolken handelte. Erst als aus diesen Wolken Steine auf sie herabregneten, begriffen sie, wie ihnen geschah, doch da war es bereits zu spät für sie.

 

Die Pflicht des Gottesdieners ist es, sich in dem Bewusstsein hinzugeben, dass Allah weiß, was am besten ist. Und diese Art von Hingabe kann nur durch Gotteserkenntnis und geistige Versenkung verwirklicht werden, denn keine Wissenschaft ist in der Lage, den Menschen vor den schrecklichen Folgen der Unwissenheit in dieser Hinsicht zu bewahren. Und in der Tat gibt es eine große Zahl des Lesens und Schreibens Unkundiger, die aufgrund ihrer Gotteserkenntnis höchste Stufen erreicht haben.

 

Aus diesem Grunde sagt Yunus Emre, dass die Gotteserkenntnis die Grundlage allen Wissens ist:

 

„Neunundzwanzig Buchstaben,

 

du liest sie von A bis Z.

 

Du sagst ‚A’, mein Lehrer,

 

doch was soll es heißen?

 

Wissen heißt, ‚Wissen zu wissen’,

 

Wissen heißt, sich selbst zu kennen!

 

Wenn du dich nicht einmal selber kennst,

 

wozu lernst du dann and’res Wissen?“

 

Allah der Erhabene drückt den Gegensatz zwischen Seinem Wissen und dem der Menschen in vollkommener Weise in den folgenden Versen aus:

 

„Und keiner weiß, was er am nächsten Tag erwerben wird.“ (31:34)

 

„Sprich: ‚Das Wissen darüber ist bei Allah!’“ (67:26)

 

Wissen im absoluten Sinne ist allein Allah vorbehalten und dieses Wissen umfasst alle Dinge. Aus dieser Sichtweise lässt sich das göttliche Wissen mit einem Spiegel vergleichen. Die Erscheinungen in diesem Spiegel sind vielfältig, doch der Spiegel selbst spiegelt sie alle wieder, ohne sich dabei zu verändern.

 

Allahs Wissen ist nicht das Ergebnis von Gedanken oder Vorstellungen. Die fein abgestimmte Ordnung des Universums, die kein Verstand leugnen kann, ist der überzeugendste Beweis für Allahs grenzenloses Wissen. Menschen bedürfen Jahre der Forschung und intensiver Zusammenarbeit vieler Einzelner, um eine relativ unbedeutende Erfindung hervorzubringen. Die heutige Telekommunikation mit Mobiltelefonen zum Beispiel ist das Ergebnis einer Bündelung von Wissen, dessen Anfänge Jahrhunderte zurückreichen, sowie unzähliger Versuche und Erfahrungen. Und das gilt ebenso für fast alle anderen technischen Entwicklungen und wissenschaftlichen Fortschritte. Allah hingegen hat all diesen unzähligen Entdeckungen, genau wie zahllosen anderen, noch nicht offenbar gewordenen Geheimnissen innerhalb der Ordnung des Universums, innerhalb eines Augenblicks mit Seinem göttlichen Wissen ihren Platz gegeben. Daran erinnert Allah die Menschen im heiligen Qur’ân mit den Worten:

 

„Weiß denn Er nicht – Er, der erschaffen hat? Und Er ist Derjenige, der die feinsten Geheimnisse versteht, der Kenntnis von allem besitzt.“ (67:14)

 

3. As-Samî´ – Der All-Hörende

 

Allah ist der All-Hörende[6]. Sein Hören ist nicht wie unser Hören. Keine Stimme und kein Geräusch bleiben Seinem Hören verborgen. Es wird gesagt, dass Er das Geräusch einer Ameise, die über einen Stein krabbelt, hört. Und alle Geschöpfe, die fähig sind, zu hören, besitzen diese Fähigkeit alleine als Widerspiegelung dieser göttlichen Eigenschaft des All-Hörenden. Wenn ihnen diese Fähigkeit genommen wird, können sie nichts hören. Dafür gibt es eine Vielzahl von Beispielen.

 

Allah erwähnt Seine Eigenschaft des All-Hörenden vielfach zusammen mit der des All-Sehenden und erinnert damit die Menschen daran, dass nichts Seiner göttlichen Kenntnis entgehen kann, um sie davor zu warnen, vom rechten Wege abzuweichen.

 

4. Al-Basîr – Der All-Sehende

 

Die Eigenschaft des All-Sehenden[7] entspricht ebenso Seiner göttlichen Natur. Dementsprechend sieht Er alles, Er ist der All-Sehende und nichts ist vor Seinem Blick verborgen. Er sieht eine schwarze Ameise auf einem schwarzen Stein im Dunkel der Nacht.

 

Meister Jalâluddîn Rûmî erklärt, weshalb den Menschen die göttlichen Eigenschaften des All-Wissens, des All-Hörens und All-Sehens verkündet wurden:

 

„Allah verkündet dir Seine Eigenschaft des All-Wissens, damit du auf der Erde kein Unheil stiftest.

 

Allah verkündet dir Seine Eigenschaft des All-Hörens, damit du deinem Mund keine ungehörigen und hässlichen Worte entweichen lässt.

 

Allah verkündet dir Seine Eigenschaft des All-Sehens, damit du nicht heimlich üble Taten begehst.“

 

So lässt Allah Seine Diener wissen, wofür sie in dieser Hinsicht verantwortlich sind:

 

„Und verfolge nicht das, wovon du keine Wissen besitzt. Wahrlich, das Ohr und das Auge und das Herz, sie alle werden zur Rechenschaft gezogen.“ (17:36)

 

Und Meister Niyâzî Misrî beschreibt diese Verantwortung so:

 

„Ein Auge, das nicht richtig sehen kann,

 

wird leicht zum Feind für den, in dessen Kopf es sitzt.

 

Ein Ohr, das keinen Ratschlag hören will,

 

verdient, dass Blei hineingegossen wird.

 

Die Zunge, die Allahs Namen nicht erwähnt,

 

ist ein Stück Fleisch, das den Namen ‚Zunge’ nicht verdient“

 

Der Achtlose wird einst gefragt werden: „O mein Diener, während du in der Welt warst, kanntest du Mich da oder hast du Mich nicht gekannt? Wenn nicht, warum hast du nicht versucht, Mich zu kennen? Wenn du Mich kanntest, wie konntest du das tun, was du getan hast?“

 

Und Meister Nahschabî sagt, nachdem er obige Worte zitiert:

 

„O du Furchtloser! Tu das, was du tun willst, ohne dass es die Leute seh’n und dann wird klar, ob du Allah fürchtest oder die Leute! Wenn es Allah ist, den du fürchtest, dann fürchtest du Ihn überall! ...“

 

Diejenigen, die wahrhaftig den Weg der Tugend und der Frömmigkeit beschreiten, können der Achtlosigkeit nur entgehen, indem sie sich überall und jederzeit bewusst sind, dass sie sich unter Allahs göttlicher Beobachtung befinden:

 

Eines Nachts ging der zweite Khalîf ´Umar – möge Allah mit ihm zufrieden sein –, wie es seine Gewohnheit war, durch die Straßen von Medina. Plötzlich blieb er stehen, weil er unbeabsichtigt Ohrenzeuge eines Streitgesprächs zwischen einer Mutter und ihrer Tochter wurde, das seine Aufmerksamkeit erregte. Die Mutter sagte zu ihrer Tochter:

 

„Verdünne die Milch, die wir morgen verkaufen wollen, ein wenig mit Wasser!“

 

Die Tochter antwortete: „Mutter, hast du nicht gehört, dass der Khalîf verboten hat, die Milch mit Wasser zu vermischen?“

 

Die Mutter wurde ärgerlich und sagte:

 

„Tochter, woher sollte der Khalîf denn erfahren, wenn wir zu dieser nächtlichen Stunde die Milch mit Wasser verdünnen?“

 

Doch die Tochter, in deren Herz die Furcht vor Allah lebendig war, wollte sich an dem Betrug, den ihre Mutter plante, nicht beteiligen und hörte nicht auf, dagegen Einwände vorzubringen:

 

„Mutter, ich behaupte nicht, dass der Khalîf uns sehen kann, aber was ist mit Allah? Meinst Du, dass auch Er uns nicht sieht? Es ist leicht, diesen Schwindel vor den Leuten zu verbergen aber unmöglich vor Allah, dem All-Hörenden und All-Sehenden!“

 

Die Art, wie das Mädchen, dessen Herz erfüllt war mit göttlicher Wahrheit, seiner Mutter voller Respekt und Furcht vor Allah antwortete, berührte ´Umars Herz – möge Allah mit ihm zufrieden sein. Der ‚´Amîr al-Mu’minîn’, der ‚Führer der Gläubigen’, erkannte, dass sie über außergewöhnliche Gottesfurcht verfügte und machte sie deshalb später durch Heirat mit einem seiner Söhne zu seiner Schwiegertochter. Aus dieser reinen Abstammungskette wurde dann ´Umar ibn ´Abd al-´Azîz geboren, der auch als fünfter rechtgeleiteter Khalîf bezeichnet wird.

 

So hängt letztendlich alles davon ab, sich bewusst zu werden, dass wir ständig unter der Beobachtung Allahs des Erhabenen leben. Wie es im Qur’ân heißt:

 

„Blicke können Ihn nicht erfassen, Er aber erfasst die Blicke. Und Er ist der All-Gütige, der All-Kundige.“ (6:103)

 

5. Irâda – Willen

 

Allah bestimmt durch Seinen Willen, was Er will und handelt wie Er will. Wenn Er eine Sache bestimmt, so befiehlt Er: „Sei!“ und es geschieht. Seine Handlungen können niemals in Frage gestellt werden und bedürfen nie einer Rechtfertigung.

 

„Der Schöpfer der Himmel und der Erde! Wenn Er eine Sache bestimmt, so sagt Er nur zu ihr: ‚Sei!’ und sie ist.“ (2:117)

 

„Er ist Derjenige, der über Seine Diener zwingende Macht ausübt, und Er ist der All-Weise, der von allem Kenntnis hat.“ (6:18)

 

„Sprich: ‚O Allah, Herrscher des Königreiches, Du gibst die Herrschaft, wem Du willst und nimmst die Herrschaft, wem Du willst; und Du ehrst, wen Du willst und Du erniedrigst, wen Du willst. In Deiner Hand ist das Gute; wahrlich, Du hast Macht über alle Dinge.’“ (3:26)

 

All diese Verse deuten darauf hin, dass Allah der absolut Bestimmende und Handelnde ist. Jede Handlung und jedes Geschehen hängen von Seinem Willen ab. Zusammengefasst bedeutet das: ‚Was er bestimmt geschieht, und was Er nicht bestimmt, geschieht nicht!’

 

Die Ereignisse, die Allahs wohlgefällig sind, geschehen in Übereinstimmung mit Seinem Willen. Die Ereignisse, die Ihm nicht wohlgefällig sind, geschehen ebenfalls mit Seiner göttlichen Erlaubnis, doch stellen sie Prüfungen für uns dar.

 

Entsprechend den oben zitierten Versen muss jedes Ereignis der Bedingung entsprechen: ‚Wenn es Allah gefällt oder Er es erlaubt.’ Diese Bedingung betrifft die gesamte Schöpfung, sowohl materielle als auch spirituelle Wesen, ebenso wie alle Propheten.

 

Ein Beispiel dafür ist die folgende Begebenheit aus dem Leben des Propheten Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden:

 

Eine Gruppe von Beduinen besuchte den Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – und stellte ihm einige Fragen. Da er nicht in der Lage war, augenblicklich darauf zu antworten und deshalb hoffte, bald durch göttliche Offenbarung eine Antwort auf ihre Fragen zu bekommen, bat er sie, am folgenden Tag wiederzukommen, indem er sagte:

 

„Kommt morgen wieder und ich werde euch die Antwort geben!“

 

Da er dabei jedoch nicht gesagt hatte ‚in schâ Allah!’, ‚so Allah will!’, blieb die erhoffte Offenbarung vierzehn Tage lang aus. Und als schließlich, nach dieser lange Zeit des Wartens, die Offenbarung kam, waren die ersten Worte die folgenden:

 

„Und sage nie von einer Sache: ‚Ich werde es morgen tun’, ohne (zu sagen:) ‚So Allah will!’. Und gedenke deines Herrn, wenn du es vergessen hast, und sprich: ‚Ich hoffe, mein Herr wird mich noch näher als diesmal zum rechten Wege führen.’“ (18:23-24)

 

Wie dieser Vers illustriert, sind menschliche Wesen nicht immer in der Lage, entsprechend ihrem eigenen Willen zu handeln, weil ihr Willen und ihre Macht unzureichend sind. Deshalb muss sich der Diener seiner Grenzen bewusst sein und darf angesichts der Rechte, die Allah über ihn hat, nicht zu weit gehen. Allah erklärt selbst, dass Er stets bereit ist, die Sünden und Übeltaten Seiner Diener zu verzeihen, doch nicht die Leugnung Seiner Existenz, das Beigesellen von Partnern und das Beschneiden der Rechte anderer. Tatsächlich wird Allah vergeben, wem immer Er will und nicht vergeben, wem Er will, wie es im folgenden Qur’ânvers heißt:

 

„Allah gehört was in den Himmeln und was auf der Erde ist. Er vergibt, wem Er will und Er straft, wen Er will, und Allah ist all-verzeihend, all-barmherzig.“ (3:129)

 

In Erkenntnis dieser göttlichen Eigenschaft überlassen die Gottesfreunde ihr Wollen ganz dem Willen Allahs. Wie auch in anderer Hinsicht entwerden sie auch im Hinblick auf ihren Willen völlig in Allah. Sie wissen genau, dass Allahs Wille immer das Richtige bestimmt und führen diejenigen, die ihnen folgen, in diese Richtung.

 

Meister Sünbül Sinân fragte einmal seine Schüler:

 

„O meine Söhne, was würdet ihr tun, wenn Allah euch gestattete, das Weltgeschehen zu bestimmen?“

 

Jeder der Schüler gab eine andere Antwort. Einer sagte: „Ich würde alle Ungläubigen vernichten.“

 

Ein anderer sagte: „Ich würde die Trinker auslöschen.“

 

Ein anderer: „Ich würde die Raucher vernichten.“

 

... und so weiter.

 

Unter den Schülern war auch ein Gelehrter namens Mustafa Muslihuddîn Efendi, der zu all dem schwieg. Der Scheikh schaute ihn an und fragte: „O mein Sohn, was würdest du denn tun?“

 

Mustafa Muslihuddîn Efendi antwortete bescheiden:

 

„Was ist denn daran auszusetzen, - möge Allah uns davor bewahren - wie Allah das Weltgeschehen bestimmt? Ich würde alles genau so lassen, wie es ist!“

 

Meister Sünbül Sinân war hocherfreut und sagte: „Nun sind wir zum Zentrum (türkisch: Merkez) der Angelegenheit gekommen!“

 

und von diesem Tag an hieß Mustafa Muslihuddîn Efendi nur noch ‚Merkez Efendi’ und wurde später zum Nachfolger seines Meisters Sünbül Sinân.

 

Scheikh Ibrahim Haqqi Erzurumî beschreibt seine Hingabe an Allah mit den folgenden Worten, die diesen Sachverhalt vorzüglich zusammenfassen:

 

„All Seine Taten sind erhaben,

 

sind aufeinander abgestimmt.

 

Sie alle sind stets vorteilhaft.

 

Wenn wir betrachten, was Er tut,

 

seh’n wir, dass es das Beste ist.

 

Ich schwöre bei Allah, Er tut das Beste!

 

Ich schwöre durch Allah, Er tut das Beste!

 

Ich schwöre mit Allah, Er tut das Beste!

 

Wenn wir betrachten, was Allah getan,

 

seh’n wir, dass es das Beste war.“

 

6. Qudrat – Allahs Allmacht

 

Allah ist der Allmächtige, der Besitzer grenzenloser Macht. Er ist niemals machtlos. Diese, Seine Eigenschaft beschreibt Allah im Qur’ân mit den Worten:

 

„... und Allah besitzt Macht über alle Dinge.“ (2:220)

 

Und in einem anderen Vers sagt Er:

 

„Wahrlich, wenn er eine Sache bestimmt, so sagte er zu ihr ‚Sei!’ und sie ist!“ (36:82)

 

Wenn Allah einen Befehl gibt, dann geschieht, was Er befiehlt. Wir sollten nicht in den Fehler verfallen, uns die göttliche Allmacht entsprechend unseren begrenzten geistigen Fähigkeiten vorzustellen. Allahs Allmacht übersteigt all die Grenzen und Unzulänglichkeiten, denen Menschen unterworfen sind. Deshalb gibt es kein Wesen, das nicht vor Seiner grenzenlosen Macht machtlos wäre. Und unsere eigene Macht ist immer nur so viel, wie Er bestimmt.

 

Die Geschichte hat die Niederlagen all derer gesehen, die versuchten, sich gegen Seine Macht zu erheben. Darunter waren Nimrod, Pharao, Krösus, Abû Jahl und unzählige andere. Sie alle haben diese Welt mit leeren Händen verlassen. Bevor sie sich der göttlichen Strafe in der Ewigkeit stellen mussten, erniedrigte Allah sie alle durch die Art und Weise, wie sie ihren Tod fanden. Treffliche Beispiele sind der Tod Nimrods, der sich selbst göttlichen Rang angemaßt hatte und von einer Mücke getötet wurde, sowie das Ende Abrahas und seiner Armee, der im Vertrauen auf die Kraft seiner Elefanten versucht hatte, die Ka’ba zu zerstören und mitsamt seinem ganzen Heer von den Vögeln Abâbils vernichtet wurde.

 

Meister Jalâluddîn Rûmî sagt:

 

„Obwohl die Welt in deinen Augen so groß und endlos scheint, ist sie für Allah nicht einmal ein Stäubchen. Mach deine Augen auf und schau dir an, was ein Erdbeben, ein Sturm und eine Flut mit dieser Welt und allem was darauf ist macht!“

 

Die Macht Allahs zeigt sich manchmal in außerordentlicher Weise. So können sich zum Beispiel die nützlichen Kräfte des Feuers, des Wassers, des Windes und anderer Naturelemente durch die göttliche Macht in zerstörerische Gewalten verwandeln. In solchen Fällen muss man sich bemühen, den göttlichen Willen im Hintergrund dieser Naturereignisse zu sehen. Diejenigen, die unfähig sind, dies zu tun, verfangen sich in einem aussichtslosen Weltbild voller Hoffnungslosigkeit. Derart in ihrer Achtlosigkeit gegenüber dem Göttlichen Gefangene warnt Meister Jalâluddîn Rûmî, wenn er sagt:

 

„Vergiss niemals, dass diese Welt im Angesicht Allahs nichts als ein Strohhalm ist. Der göttliche Wille hebt ihn mal empor, mal bringt er ihn nach unten. Manchmal macht er die Erde sicher, manchmal unsicher. Mal trägt er die Erde nach rechts, ein anderes Mal nach links. Manchmal verwandelt er sie in einen Rosengarten und manchmal in ein Dornengestrüpp ...“

 

Auch im Qur’ân wird dies mehrfach beschrieben:

 

„Weißt du denn nicht, dass Allah die Herrschaft über die Himmel und die Erde hat? Und außer Allah habt ihr weder Freund noch Helfer.“ (2:107)

 

Der Sultan derer, die in Gotteserkenntnis und Gottesliebe leben, Yunus Emre, beschreibt unsere Ohnmacht vor Allah mit den Worten:

 

„Wenn ich mich ohne Dich auf den Weg mache,

 

kann niemand mir helfen, auch nur einen Schritt zu tun!

 

Du bist die Kraft, die meinen Körper bewegt,

 

um meinen Kopf hin wegzutragen! ...“

 

7. Kalâm – Sprache

 

Die Sprache Allahs bedarf weder einer Stimme, noch Buchstaben, Worte oder Sätze. Sie existiert unabhängig von Buchstaben und Klang. Seine Sprache gleicht in keiner Weise der menschlichen Sprache. Die Menschen können dadurch sprechen, dass ihnen etwas von dieser Eigenschaft gegeben wurde. Yunus Emre formuliert dies treffend mit den Worten:

 

„O Du, der Du den Ursprung aller Worte kennst,

 

komm und sag’ mir: woher stammen all diese Worte?

 

Wer den Ursprung der Worte nicht kennt,

 

mag’ denken, dass dies meine Worte sind!“

 

Allah der Allmächtige teilt Seine Gebote, Verbote und andere Ausdrücke Seines Willens den Engeln, den Propheten, den Menschen und allen anderen Geschöpfen durch Seine göttliche Eigenschaft der Sprache mit. Da die Erschaffung Seiner gesamten Schöpfung durch Sein Wort ‚Sei!’ geschieht, hängt die Existenz der ganzen Schöpfung von dieser Eigenschaft ab. Eine winzige Widerspiegelung dieser göttlichen Eigenschaft findet sich in der den Menschen verliehen Fähigkeit, zu sprechen, wieder. Yunus Emre sagt dazu:

 

„Ein Wort kann einen Krieg beenden,

 

ein Wort kann einen Kopf abschlagen,

 

und ein Wort kann ein Mahl vergiften

 

oder in Honig und Butter verwandeln.“

 

Alle heiligen Bücher wurden mit Hilfe dieser Eigenschaft der göttlichen Sprache herabgesandt und verkündet. Manchmal wurde die Offenbarung durch den Engel Jibrîl überbracht, manchmal direkt, verborgen hinter einer Vielzahl von Schleiern, herabgesandt. Diese Offenbarungen stellen eine Form der Kommunikation mit Allah dar, die im Qur’ân folgendermaßen beschrieben wird:

 

„Und keinem Menschen steht es zu, dass Allah zu ihm spricht, außer durch Eingebung oder von hinter einem Vorhang oder indem Er einen Gesandten schickt, um durch Sein Geheiß zu offenbaren, was Er will; Er ist Erhaben, All-Weise.“ (42:51)

 

„... und Allah sprach wirklich zu Mûsâ“ (4:164)

 

Allah sprach direkt zu Mûsâ – Friede sei auf ihm –, nicht mit Hilfe einer Zunge oder Stimme, sondern mit Seiner Eigenschaft der ewigen göttlichen Sprache. Die siebzig Leute, die mit ihm gekommen waren, um Zeuge dieses Ereignisses zu werden, hörten oder bemerkten nichts von dieser göttlichen Sprache, genauso wenig wie der ebenfalls anwesende Erzengel Jibrîl. Mûsâ selbst wurde ohnmächtig durch das In-Erscheinung-Treten dieser göttlichen Kraft. Er verlor die Orientierung, wusste nicht mehr, ob er im Diesseits oder Jenseits war und fühlte sich außerhalb von Raum und Zeit. Erfüllt und trunken von Liebe und ekstatischer Hingabe wurde der Wunsch, Allah den Allmächtigen zu sehen, in ihm übermächtig. Als Antwort kam die göttliche Antwort: „Lan tarânî“ („Du kannst mich nicht sehen!“). Als Mûsâ – Friede sei auf ihm – voller Unverständnis auf seinem Wunsch beharrte, befahl Allah ihm, auf einen Berg zu schauen, und ließ ihn wissen, dass, wenn dieser Berg dem göttlichen Anblick standhalten könne, auch er ihn aushalten könnte. Es wird überliefert, dass ein winziger Bruchteil des göttlichen Lichtes hinter endlosen Schleiern hervor schien, woraufhin der Berg in Tausende von Teilen zerbarst. Mûsâ – Friede sei auf ihm – wurde ohnmächtig im Angesicht dieses furchterregenden Ereignisses und als er wieder zu sich kam, lobte und pries er Allah und bat um Verzeihung für den Versuch, seine Grenzen zu überschreiten. Hätte Mûsâ – Friede sei auf ihm – nicht das Bewusstsein verloren, er wäre genau wie der Berg in Stücke zerborsten.

 

Jibrîl – Friede sei mit ihm -, einer der bedeutendsten Engel, sagte, als er während der wundersamen Nachtreise des Propheten – Allah segne ihn und schenke ihm Frieden – gemeinsam mit diesem den äußersten Lotusbaum im siebenten Himmel erreicht hatte:

 

„O Gesandter Allahs, ich habe nur Erlaubnis, dich bis zu diesem Punkt zu begleiten, du musst nun alleine weitergehen. Wenn ich auch nur einen Schritt weiterginge, müsste ich verbrennen!“

 

Dem auserwählten Gesandten Allahs, unserem Meister Muhammad – Segen und Friede Allahs seien auf ihm –, war diese besondere Ehre zuteil geworden, in die Himmel aufzufahren und in dieser Nacht der Himmelsreise wurden ihm eine für uns unvorstellbare Nähe und einzigartige Zwiesprache mit dem Herrn der Welten gewährt.

 

Die göttliche Eigenschaft der Sprache, die nicht mit irgendeiner anderen Form von Sprache vergleichbar ist, kennt keine Grenzen. Das göttliche Wort Allahs, das sich in den Erscheinungen dieser Welt widerspiegelt, ist in Wirklichkeit ein uferloses Meer von Bedeutungen. Wie es im Qur’ân beschrieben wird:

 

„Sprich: ‚Wenn das Meer Tinte für die Worte meines Herrn wäre, wahrlich, das Meer wäre aufgebraucht, ehe die Worte meines Herrn zu Ende gingen, selbst wenn wir noch ein gleiches als Nachschub brächten.’” (18:109)

 

„Und wären alle Bäume auf der Erde Schreibfedern und das Meer und sieben Meere dazu würden sie mit Nachschub (an Tinte) versorgen, selbst dann könnten Allahs Worte nicht erschöpft werden. Wahrlich, Allah ist all-mächtig, all-weise.“ (31:27)

 

Alle Worte in dieser Welt sind Widerspiegelungen des Wortes Allahs. In dieser Weise lässt Allah Seine heiligen Namen von zahllosen Zungen verkünden und preisen. Allah hat allem in der Schöpfung, einschließlich dem, was wir als leblos betrachten, von Seinem göttlichen Wort eine eigene Sprache gegeben. Dazu heißt es im heiligen Qur’ân:

 

„Die sieben Himmel und die Erde und alles darin lobpreisen Ihn; und es gibt nichts, was nicht Seine Herrlichkeit preist, doch ihr versteht ihre Lobpreisung nicht. Wahrlich, Er ist nachsichtig, allverzeihend.“ (17:44)

 

Und Yunus Emre sagt, in Erkenntnis der Geheimnisse dieser Verse:

 

„Die Flüsse des Paradieses fließen,

 

ihr Plätschern ist: Allah, Allah!

 

Die Nachtigallen des Islam,

 

ihr Zwitschern ist: Allah Allah!

 

Die Zweige des Tuba-Baumes schwingen,

 

sie rezitieren den Qur’ân mit ihrer Zunge.

 

Die Rosenblüten des Paradieses,

 

ihr Duft sagt ständig: Allah Allah!“

 

8. Takwîn – Schöpferkraft

 

Dies ist die Eigenschaft Allahs des Erhabenen mit der Er erschafft. Es ist die Fähigkeit, aus dem Nichts heraus zu erschaffen und dies ist eine Eigenschaft, die einzig und allein Allah besitzt. All die unzähligen Welten sind Produkte Seiner Schöpferkraft und andere faktische Eigenschaften Allahs sind in dieser Eigenschaft des Erschaffens inbegriffen. Im heiligen Qur’ân heißt es:

 

„Er ist derjenige, der alles, was Er erschuf, vorzüglich gemacht hat und Er begann die Erschaffung des Menschen mit Erde.“ (32:7)

 

„Er ist es, Der für euch alles auf der Erde erschuf, dann wandte Er Sich den Himmeln zu und formte sie zu sieben Himmeln und Er ist aller Dinge kundig.“ (2:29)

 

„Er ist es, Der für euch Feuer aus den grünen Bäumen hervorbringt, indem ihr dann daraus Brennholz macht.“( 36:80)

 

„Schauen sie denn nicht auf das, was Allah an Dingen erschaffen hat? Wie die Schatten eines jeden sich nach rechts und nach links wenden, sich vor Allah niederwerfen und dabei voller Demut sind?“ (16:48)

 

Die Eigenschaft der göttlichen Schöpferkraft unterscheidet sich von den anderen Eigenschaften Allahs. Allah weiß durch Seine Eigenschaft des Wissens, durch Seine Eigenschaft der Macht kann Er die Existenz oder Nicht-Existenz von Dingen bestimmen, durch Seine Eigenschaft des Willens entscheidet Er, ob etwas ins Dasein kommen soll oder nicht. Dann tritt Seine Eigenschaft der Schöpferkraft in Erscheinung, durch die die Dinge erschaffen werden.

 

Die Mysterien und Geheimnisse des Universums sind verborgen in dieser Eigenschaft des Erschaffens. Aus diesem Grunde bezeugt jedes Atom die Existenz des Allmächtigen.

 

***

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Allah von Seinen Dienern in erster Linie durch diese Eigenschaften erkannt werden kann. Sie alle sind, ebenso wie unzählige andere göttliche Eigenschaften, unabhängig von Raum und Zeit; sie alle besitzen, genau wie Allah selbst, ewige Existenz.

 

In Bezug auf all diese göttlichen Eigenschaften muss noch folgende allgemeine Aussage hinzugefügt werden: Keine der Eigenschaften Allahs findet im Wesen Allahs ihr Gegenteil.

 

Er ist Lebendig! Das Gegenteil davon wäre der Tod. Tot zu sein ist für Ihn unvorstellbar, Er ist darüber weit erhaben.

 

Er existiert! Das Gegenteil davon wäre Nicht-Existenz.

 

Nicht-Existenz ist für Ihn unmöglich.

 

Er ist wissend! Das Gegenteil, Unwissenheit, ist für Ihn undenkbar.

 

Er versorgt die Bedürftigen, Er selbst ist niemals bedürftig!

 

Alle Eigenschaften Allahs folgen diesem Prinzip.

 

Allah ist auch erhaben darüber, menschliche Organe zu besitzen, nicht einmal ein Atom von einer der Eigenschaften Allahs existiert in den Menschen. Was in den Menschen in Erscheinung tritt, sind nur die Widerspiegelungen Seiner Eigenschaften. So ist zum Beispiel unsere Fähigkeit zu sprechen nur ein winziges Teilchen einer Widerspiegelung der göttlichen Eigenschaft der Sprache. Allahs ‚Leben’ gleicht in keiner Weise dem, was wir unter ‚Leben’ verstehen. Ebenso wenig ist Sein ‚Sehen’ dem unseren vergleichbar.

 

Die Bedeutungen aller Eigenschaften Seines erhabenen Wesens zeichnen sich durch Endlosigkeit und Unendlichkeit aus. Alle existieren ewig in der Vergangenheit und in der Zukunft. Keine der Eigenschaften Allahs ist in irgendeiner Weise begrenzt oder vergänglich. Dementsprechend entziehen sich Sein Wissen, Seine Macht, Seine Sprache, Seine Schöpferkraft und all Seine anderen Eigenschaften einem in jeder Hinsicht treffenden Vergleich oder einer erschöpfenden Erklärung. Unsere Besonderheiten und die unserer Welt beruhen auf der Begrenztheit und Vergänglichkeit unseres Daseins. Deshalb sind wir Menschen, die nicht einmal fähig sind, sich selbst vollständig zu begreifen, erst recht unfähig, die Eigenschaften Allahs wirklich zu verstehen. Und wenn es uns bereits unmöglich ist, die wirkliche Bedeutung Seiner Eigenschaften zu begreifen, wie könnten wir uns anmaßen, die Essenz des Wesens Allahs des Erhabenen erfassen zu wollen?

 

Ein höheres Wesen lässt sich nie wirklich mit einem niederen Wesen vergleichen oder in Verbindung bringen, denn eine solche Verbindung würde unweigerlich den Stellenwert des höheren Wesens herabsetzen. Wenn zum Beispiel eine Katze mit einem Löwen verglichen oder in Verbindung gebracht würde, hieße dies, dass diese Katze den anderen Katzen an Stärke überlegen ist. Würde hingegen ein Löwe mit einer Katze verglichen, hieße das, dass dieser Löwe im Vergleich zu anderen Löwen feige und schwach ist. Aus diesem Grunde ist es ein Zeichen von Blindheit und Unverfrorenheit, Allah mit Seinen Geschöpfen zu vergleichen. Darüber hinaus entsprächen solche unzutreffenden und irreführenden Behauptungen in keiner Weise der unvorstellbaren Überlegenheit Allahs. Deshalb wird ein solches Verhalten als eine Form von Schirk[8] und der, der es begeht als Muschrik[9] bezeichnet. So machen die Götzenanbeter zum Beispiel den Fehler, die unbeschreiblichen Eigenschaften Allahs, des All-Hörenden und All-Sehenden, entsprechend ihren eigenen Fähigkeiten des Hörens und Sehens einzustufen und bringen damit die Eigenschaften Allahs auf eine Ebene herab, die der der macht- und nutzlosen Statuen entspricht, denen sie selbst Gestalt verliehen haben.

 

Diejenigen jedoch, die begreifen, dass ihre menschlichen Eigenschaften nicht mehr als ein paar winzige Teilchen einer Widerspiegelung der göttlichen Attribute Allahs des Allmächtigen sind, erleben in wahrer Hingabe die Freuden vollkommenen Glaubens in der spirituellen Gewissheit, dass in Wirklichkeit ‚nichts existiert außer Allah!’: ‚Lâ Maujûda illAllah!’. Sie haben, sowohl verstandes- als auch gefühlsmäßig, die Weisheit der Worte verinnerlicht:

 

„O mein Herr, Du bist so wie Du bist!“

 

Auf diese Art und Weise kommen sie mit ihren reinen Herzen, befreit von Einbildungen und Einflüsterungen, zu ihrem Herrn und ihre Namen werden in die Liste der Auliya, der Heiligen und wahren Gottvertrauten, eingetragen.

 

Einmal fragte einer der Derwische den Meister Abû Yazîd al-Bistâmî:

 

„O Meister, welches sind die größten Namen Allahs?“

 

 Abû Yazîd antwortete ihm:

 

„O mein Sohn, gibt es denn einen Namen Allahs des Erhabenen der klein ist? Sei nicht achtlos! Alle Namen Allahs sind groß! Wenn du möchtest, dass deine Bitten erhört werden, hör’ auf, dich mit den eitlen Dingen dieser Welt zu befassen! Die Namen Allahs spiegeln sich nicht in den Herzen der Achtlosen wider; es sind die erleuchteten Herzen, denen Allah durch viele Seiner Namen Aufmerksamkeit schenkt.“

 

 

[1] Muslim

 

[2] Imâm Ahmad, Musnad

 

[3] Tirmidhî

 

[4] aus Silk us-Sulûk

 

[5] Imâm Mâlik, al-Muwwatta

 

[6] Die göttliche Eigenschaft des Hörens selbst heißt ‚Sam´a’

 

[7] Die göttliche Eigenschaft des Sehens selbst heißt ‚Bassar’

 

[8] Schirk, Beigesellung anderer Gottheiten, Götzendienst

 

[9] Muschrik, jemand, der Allah andere Gottheiten beigesellt, Götzenanbeter

 

 

Sprich: «Er ist Allah, der Einzige;  Allah, der Unabhängige und von allen Angeflehte.

 Er zeugt nicht und ward nicht gezeugt;  Und keiner ist Ihm gleich.»

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